Wie man mit Akupunktur einen pferdischen Holzkopf begleiten kann - Eine Patientengeschichte

Ich bekam einen Anruf einer ehemaligen Stall­kollegin. "Du, ich hab ein neues Pferd, aber die ist etwas … schwierig. Ziemlich blütig, sensibel aber hat ganz schön ihren eigenen Kopf und stresst sich total. Kann man da auch irgendwas mit Akupunktur machen, um sie zu beruhigen?"

Schon durch diese zwei Sätze regte sich ein erster Verdacht.

Auch wenn man als Therapeut immer mit frischen Augen an ein Pferd heran­tritt, so bekommt man oft schon eine erste Einschätzung zum Tier, abhängig davon, was der Besitzer erzählt. Oft wird diese Vermutung bestätigt, manchmal nicht.

Die Fünf Elemente

In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) spielen Charakter­eigen­schaften und Persönlichkeit eine wesentliche Rolle. Sie sind Bestand­teil der Fünf-Elemente-Lehre.

Die folgenden Fünf Elemente wurden in der Traditionellen Chinesischen Medizin definiert:

Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser.

Jedes Element steht für verschiedene Grund­prinzipien und Charakter­züge eines Individuums. Diese bestimmen dann vielfach nicht nur den Grund­charakter, sondern auch Schwächen und Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten aber auch Stärken und Talente.

Holz-Pferd ja oder nein?

Ich hakte am Telefon noch etwas nach…

"Wie war die Stute im Umgang mit anderen Pferden?"
Antwort: "Ranghoch!"
"Wurde die Stute schnell wütend?"
Antwort: "Absolut. Und die kann sich vielleicht ärgern!"

Jupp, die Anzeichen mehrten sich, dass es sich hier um einen ziemlichen (wie ich sie liebevoll nenne) Holz­kopf handelte.

Pferde, die im Holz-Element stehen, sind charakterlich oft herausfordernd. Sie sind sehr dominant und ranghoch. Sie diskutieren viel und stellen die Rang­ordnung immer wieder in Frage.

Und sie werden schnell wütend. Ein Boxen­nachbar, der zur falschen Zeit über die Boxen­wand luschert, kann Anlass genug für einen Wut­anfall sein und dem Holz-Pferd den gesamten Tag vermiesen.

Die Besitzerin wünschte sich, die Stute emotional etwas mehr zu erden und zur Ruhe zu bringen. Ich erklärte ihr, dass dies eine lang­fristige Aufgabe werden würde, denn es gibt selten einen An-/Aus-Schalter.

Charakter­züge sind fundamentale Bestandteile jedes Individuums und auch wenn man auf sie einwirken kann, so kann man sie nicht vollständig abschalten.

Aber: durch regelmäßige Behandlungen lässt sich, meiner Erfahrung nach, viel erreichen, um gerade solchen Pferden den Druck (und permanenten Stress) zu nehmen oder diesen zu reduzieren.

Ein erstes Kennenlernen

Wir machten einen Termin aus. Als ich in den Stall kam, fand ich eine hoch­beinige, drahtige Stute. Sie wirkte sportlich und athletisch. Sie schaute mich an – ein Mix aus herausfordernd und prüfend – und musterte mich erst einmal von Kopf bis Fuß.

Ein erstes Anfassen ließ sie willig zu. Ich fühlte jedoch die Anspannung unter meiner Hand. Ein weiteres Häkchen auf meiner Holz-Pferd-Liste.

Dem Holz-Element sind die aktiven Teile des Muskel­apparates zugeordnet, also Muskeln und Sehnen. Pferde, die im Holz-Element stehen haben meist einen hohen Muskel­tonus. Wenn man diese Pferde befundet, fühlt es sich oft so an, als würde der Muskel unter den Fingern vor Spannung vibrieren.

Ich unterhielt mich mit der Besitzerin, während ich neben der Stute stand und ihr die Chance gab, mich ebenfalls etwas kennen­zu­lernen.
"Wie alt ist sie?"
Antwort: "Fünf."

"Oha, na da hast du noch ein bisschen was vor dir." entgegnete ich lachend. Die Besitzerin schaute mich fragend an.

Mit dem Holz-Element ist der Frühling assoziiert. Die Kräfte entwickeln sich und blühen auf – die zugehörige Lebens­phase zum Frühling ist dementsprechend die Pubertät. Es kommt oft zu einem Aufbegehren, einem extrovertierten "sich-ausprobieren". In dieser Zeit werden Holz-Pferde meist noch schwieriger und wider­spenstiger.

Die anstrengendste Phase bei einem Holz-Pferd?
Ein junges, pubertierendes Holz-Pferd im Frühling.

Ein Holz-Pferd während der Behandlung

Die Behandlung ließ die Stute willig zu, egal ob ich mit Akupunktur­nadeln oder dem Laser arbeitete. Sie hörte zu und hörte in sich rein. Sich komplett auf die Behandlung ein­zulassen und sich zu entspannen, fiel ihr jedoch erwartungs­gemäß schwer.

Pferde, die im Holz-Element stehen, sind quasi immer "an". Sie haben immer alles im Blick und sind wachsam. Selbst wenn sie sich entspannen, behalten sie eine hohe Grund­spannung. Ein Holz-Pferd lässt sich selten während einer Behandlung in einen tiefen­entspannten Zustand bringen.

Während andere Pferde-Typen genüsslich die Augen schließen, gähnen und oft nahezu einschlafen, sind es bei Holz-Pferden meist nur kleine Anzeichen, die die Wirkung der Akupunktur verraten: eine leichte Reduktion des Muskel­tonus oder ein "weicher-werden" der Unter­lippe zum Beispiel.

Gerade bei solchen Pferden ist es manchmal schwer, dem Besitzer zu vermitteln, dass die Akupunktur wirkt, wenn das Pferd nahezu genauso wach dasteht, wie vorher. Die Besitzerin beobachtete jedoch aufmerksam und sah selbst die Anzeichen in ihrer Stute.

Wir telefonierten einige Tage nach der ersten Behandlung und die Besitzerin berichtete von deutlichen Veränderungen in der Stute. Sie war entspannter und ließ sich nicht ganz so schnell "auf die Palme bringen". Auch war sie kompromiss­bereiter. Dieser Effekt klang nach einigen Tagen zunächst wieder ab, ließ sich jedoch mit jeder Behandlung wieder­holen und verstärken bzw. verlängern.

Auswirkungen einer langjährigen Begleitung mit Akupunktur

Inzwischen sind vier Jahre vergangen, seitdem ich die Stute das erste Mal behandelt habe. In der Anfangs­zeit habe ich sie sehr oft behandelt, teilweise alle 1-2 Wochen. Jetzt behandle ich sie noch regelmäßig, aber in großen Abständen, etwa alle sechs Monate. Dies geschieht immer in enger Absprache mit der Besitzerin, damit ich auf die aktuelle Situation eingehen kann und wir frühzeitig auf eine aufkommende Spannung in der Stute reagieren können.

Frühling ist auch weiterhin typischer­weise die Phase, in der die Stute etwas anstrengender ist, und manchmal bekommt sie zu der Zeit noch ein oder zwei Extra-Behandlungen, um sie zu erden. Mit diesem Behandlungs­konzept haben wir bei der Stute viel erreicht und ihr viel Stress nehmen können.

Über die Jahre hat die Stute durchaus auch gelernt, während der Behandlung zu entspannen. Das erste Mal, als sie nahezu in den Ketten eingeschlafen ist, konnten wir es kaum fassen. Die Entspannungs­phasen sind bei dieser Stute allerdings immer noch sehr kurz. Sie nickt kurz ein und wird dann von einer Sekunde auf die andere wieder wach. Und dann müssen die Nadeln auch raus. Sofort. Denn nun muss sie sich wieder um alles kümmern (wenn auch ein bisschen entspannter als vorher).

Das Holz-Pferd und die anderen Typen in der Pferde­akupunktur

Genauso wie es für das Holz-Pferd typische Charakter­züge, Verhaltens­muster und Anfälligkeiten für bestimmte Erkrankungen gibt, so sind auch für die verbleibenden vier Elemente (Feuer, Erde, Metall und Wasser) in der Traditionellen Chinesischen Medizin definiert. Jeder Pferde­typ hat unterschiedliche Neigungen, die es zu beachten gilt und auf die man mittels Akupunktur einwirken kann.

Wenn du Interesse daran hast, mehr über die Fünf Elemente (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser) zu erfahren und was für Vorteile dir das Wissen über sie bringt, dann schau mal in den Ratgeber Von Holzköpfen und Hasenfüßen - Die fünf Pferdetypen in der TCM.

Weitere Informationen zur Akupunktur-Behandlung findest du im Ratgeber Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) beim Pferd.