Kinesiologisches Taping für Pferde: Was wirklich wirkt - Mythen und Fakten

Kinesiologisches Taping hat sich im Pferde­sport und in der Rehabilitation als ergänzende Methode etabliert. Doch wie genau wirkt es, und was sagt die Wissen­schaft dazu? In diesem Artikel beleuchte ich nicht nur verbreitete Mythen, sondern erkläre auch die wissen­schaftlichen Grund­lagen, die hinter der Methode stehen.

Mythos 1: "Taping funktioniert sowieso nicht / was soll das bisschen Klebeband bringen?"

Realität:

Kinesiologisches Tape mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken, aber seine Wirkung basiert auf biomechanischen und physiologischen Prinzipien. Es beeinflusst Haut, Faszien, Muskeln und das Nerven­system auf verschiedene Weise:

  • Durchblutungs­förderung: Das Tape hebt die Haut leicht an, wodurch der Raum zwischen Haut und darunter­liegenden Strukturen vergrößert wird. Dies kann die Durch­blutung verbessern und den Stoff­wechsel im betroffenen Bereich anregen.
  • Lymph­fluss: Durch den entstehenden Unter­druck in den Gewebe­schichten kann der Ab­transport von Lymph­flüssigkeit gefördert werden. Dies ist besonders bei Schwellungen oder nach Verletzungen von Vorteil.
  • Muskel­entspannung oder -aktivierung: Je nach Anlage­technik kann das Tape entweder eine entspannende oder aktivierende Wirkung auf die Muskulatur haben. Es kann helfen, verspannte Muskeln zu lockern oder schwache Muskel­partien gezielt zu unter­stützen.
  • Schmerz­linderung: Durch die Stimulation der Haut­rezeptoren kann das Tape Einfluss auf das Schmerz­empfinden nehmen, indem es die Reiz­weiter­leitung verändert und dadurch eine Schmerz­dämpfung bewirkt.
  • Propriozeption und Bewegungs­koordination: Studien zeigen, dass Taping die Wahr­nehmung des eigenen Körpers im Raum verbessert. Dies kann sich positiv auf die Bewegungs­kontrolle aus­wirken und insbesondere bei Reha-Pferden oder nach Verletzungen zur besseren Koordination beitragen.

Diese Effekte sind wissen­schaftlich unter­sucht und belegen, dass kinesiologisches Taping weit mehr ist als nur "ein bisschen Klebeband".

Schematische Darstellung der mechanischen Wirkung des Tapes auf Haut und Gewebe

Mythos 2: "Kinesiologisches Tape heilt Verletzungen"

Realität:

Taping kann den Heilungs­prozess unter­stützen, indem es die Durch­blutung fördert und die Gewebe­struktur stabilisiert, wodurch die Belastung des verletzten Bereichs reduziert wird. Es unter­stützt das Gewebe und kann durch die gezielte Stabilisierung von Muskeln und Gelenken die Regeneration fördern. Es ist eine wert­volle Ergänzung zu einer umfassenden tier­ärztlichen Behandlung, ersetzt diese aber nicht. Studien belegen, dass durch die Unter­stützung des Tapes die propriozeptive Wahrnehmung des Pferdes verbessert wird, was zu einer besseren Bewegungs­koordination führt und somit das Risiko einer erneuten Verletzung verringert.

Mythos 3: "Taping funktioniert über Akupunkturpunkte"

Realität:

Obwohl einige Therapeuten Taping mit Akupunktur­punkten kombinieren, basiert die Wirkung des Tapes primär auf mechanischen Effekten. Das Tape hebt die Haut leicht an, wodurch die Mikro­zirkulation verbessert wird und Spannungen im Gewebe reduziert werden. Wissen­schaftliche Belege für eine gezielte Beein­flussung von Akupunktur­punkten durch Taping fehlen bisher.

Bei meinen Behandlungen kombiniere ich oft kinesiologisches Taping mit spezifischen Akupunktur­punkten - hier nutze ich oft Cross­tapes. Diese Technik hat sich als besonders effektiv erwiesen, da sie eine kontinuierliche Stimulation der Akupunktur­punkte über einen längeren Zeit­raum ermöglicht. Dadurch kann die Wirkung der Akupunktur nach­haltig unter­stützt werden, was besonders bei chronischen oder schwierigen Fällen von Vorteil ist.

Mythos 4: "Je bunter das Tape, desto besser die Wirkung"

Realität:

In einigen ganz­heitlichen Therapie­ansätzen wird ange­nommen, dass Farben bestimmte energetische Eigen­schaften haben. Zum Beispiel steht Rot für Wärme und Aktivierung, Grün für harmonisierend und ausgleichend, während Blau kühlend und beruhigend wirken kann. Wirklich wissen­schaftliche Beweise gibt es dafür aller­dings nicht. Die Wirkung des Tapings entsteht durch die mechanische Stimulation der Haut und der Rezeptoren. Von der Material­zusammen­setzung, dem Auf­bau und dem Kleber her unter­scheiden sind die unterschied­lichen Farben einer Taping­marke nicht von­einander. Die Wahl der Tape­farbe ist also eher Geschmacks­sache und hat keine Auswirkung auf die Effektivität der Applikation.

Mythos 5: "Wenn das Tape nicht hält, war die Applikation falsch"

Realität:

Die Halt­barkeit des Tapes hängt von mehreren Faktoren ab: z.B. der richtigen Vorbereitung, Temperatur und Feuchtigkeit.

Speziell die Vorbereitung und Anbringung spielen eine entscheidende Rolle für die Halt­barkeit. Das Fell muss sauber, trocken und fett­frei ist - Schmutz oder Haut­fette können die Klebe­kraft stark reduzieren. Auch die richtige Aktivierung des Klebers durch leichtes Anreiben nach dem Auf­bringen verbessert die Haftung.

Die Spannung des Tapes muss ange­passt sein, denn zu viel Zug kann zu schnellerem Ablösen führen. Zudem spielt die Belastung eine Rolle - stark bewegte Körper­partien benötigen oft spezielle Anlage­techniken oder Fixierungen. Eine korrekte Anbringung ist entscheidend, aber selbst unter idealen Bedingungen kann das Tape je nach Belastung kürzer oder länger halten.

Faktoren, die die Haltbarkeit von Tape beeinflussen

  • Vorbereitung des Fells - sauber, trocken, fettfrei
  • Wetterbedingungen - Feuchtigkeit, Kälte
  • Bewegung - ggf. extra Fixierungen/Anker

Zu sagen, dass eine Applikation "falsch" war, nur weil das Tape nicht hält, greift also zu kurz. Vielmehr muss die Anbringung individuell an das Pferd und den Einsatz­bereich ange­passt werden.

Fazit: Wissenschaftlich fundierter Einsatz ist entscheidend

Kinesiologisches Taping bietet viele Möglich­keiten zur Unter­stützung der Regeneration und Leistungs­fähigkeit von Pferden. Dennoch sollte es immer in Absprache mit Tier­ärzten und Therapeuten einge­setzt werden. Eine fundierte Anwendung basierend auf Anatomie und Biomechanik ist essenziell, um die gewünschten Effekte zu erzielen.