Behandlungserlebnisse: Fünf Momente der Pferdeakupunktur
Ich werde immer mal wieder gefragt, ob es besondere Momente gibt, die mir bei unterschiedlichen Behandlungen passiert sind, oder die mir im Kopf geblieben sind.
Ja, natürlich gibt es die. Es gibt sogar viele davon. Einige sind quasi wiederkehrend, andere wirklich einmalig. Daher hier ein paar "meiner" Momente:
Der lustigste Moment
Natürlich gibt es einige Momente, die mich in den Jahren meiner Tätigkeit zum Schmunzeln gebracht haben.
Der wohl eingängigste "Moment" streckt sich über drei Behandlungen, in denen sich mein vierbeiniger Patient jedes Mal die an einem bestimmten Akupunkturpunkt gesetzte Nadel fachmännisch, treffsicher und mehr als gezielt selbst wieder entfernte.
So schnell konnten weder die Besitzerin noch ich selbst gucken. Zack, da war sie draußen und der große Wallach grinste. Alle anderen Nadeln verschonte er, nur diese eine nicht. (In der vierten Behandlung setzte ich diese Nadel nicht mehr.)
Der gefährlichste Moment
Ja, auch die gefährlichen Momente gibt es bei der Pferdeakupunktur. Pferde sind Lebewesen und als solche reagieren sie nicht immer vorhersehbar. So können natürlich auch gefährliche Situationen entstehen. Ich habe glücklicherweise ein gutes Radar und gehe immer eher zurückhaltend an Situationen heran. Zudem habe ich immer die Möglichkeit, auf Nadeln zu verzichten und auf meinen Akupunkturlaser zurückzugreifen. Dadurch entfällt der kurze Einstichschmerz, den manche Pferde als unangenehm empfinden.
Ich achte sehr auf das, was mir meine Patienten sagen und versuche nie etwas auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Wenn ein Punkt in meinem Behandlungskonzept geplant ist, aber das Pferd mir zu verstehen gibt, dass dieser Punkt nicht auf seiner Liste steht, dann wird er von meinem Plan gestrichen. Ganz einfach. Ich möchte, dass sich meine Patienten entspannen und dass sie die Akupunktur genießen, und aus meiner Erfahrung geht das nur, wenn ich eben diese Regeln einhalte und meine Patienten mitbestimmen lasse.
Die einzige Situation, die ziemlich gefährlich hätte werden können, wenn die Stute es wirklich drauf angelegt hätte, wurde nur gefährlich, weil sie für mich wirklich unerwartet kam. Ich behandelte eine Warmblutstute. Sie hatte mir vorher zu verstehen gegeben, dass sie keine Nadeln mochte. Den Laser empfand sie jedoch als angenehm… bis wir an einen Punkt an der Hinterhand kamen, wo sie den Laser dann auch nicht mehr mochte.
Ohne vorher anzukündigen und mit blitzartiger Geschwindigkeit zog sie das Bein weg und schlug nach dem Laser. Sie wollte mich nicht treffen (wenn sie gewollt hätte, dann hätte sie mich getroffen!). Stattdessen trat sie mir gezielt den Laser aus der Hand, der daraufhin einige Meter flog und mehrfache Salti durch die Luft drehte. Ich hatte nicht einen Kratzer abbekommen.
Gefährlich? Ja, sicher, aber andererseits auch beeindruckend, mit welcher Zielgenauigkeit die Stute es schaffte, nur den Laser zu treffen, mich aber komplett heil zu lassen. Das rechne ich ihr bis heute hoch an.
Der kurioseste Moment
Ein spezieller Moment, der bei der Behandlung meiner eigenen Stute aufgetreten ist. Nach einem Fesselträgerschaden am Hinterbein behandelte ich sie regelmäßig. Von ihrem Gangbild und -verhalten her hatte ich den Eindruck, dass ihr das betroffene Bein nicht immer "gehörte". Es wirkte manchmal, als hätte sie Koordinations- oder Taubheitsprobleme.
Ich grub in meinen Akupunkturbüchern, beriet mich mit einer befreundeten Therapeutin und suchte schlussendlich einen Punkt heraus, der laut Literatur bei "Taubheitsgefühlen in der Hinterhand" verwendet werden konnte – hier befinden wir uns übrigens im Bereich der symptomatischen Behandlung und nicht dem ganzheitlichen Konzept.
Nun kenne ich meine Stute sehr gut und weiß, wie sie auf Akupunktur reagiert, daher ist mir diese Behandlung als kurios im Kopf geblieben.
Im Normalfall reagiert meine Stute selten auf das Setzen von Nadeln. Vielleicht mal ein Ausweichschritt, wenn eine Nadel piekst oder ein Muskelzittern, wenn die Nadel wie eine Fliege auf der Haut wahrgenommen wird.
Als ich die Nadel an dem Punkt für Taubheitsprobleme setzte, hatte ich dementsprechend mit keiner Reaktion gerechnet. Ich setzte die Nadel, drehte mich weg und in dem Moment stampfte meine Stute dreimal kurz hintereinander mit dem Hinterbein auf. Gefühlt war es vergleichbar mit unserer Reaktion, wenn uns ein Bein eingeschlafen ist, alles kribbelt und wir auf einem Bein rumhüpfen, um die Durchblutung wieder anzuregen.
Auch Symptom-Nadeln können also durchaus hilfreich sein.
Der ad hoc erfolgreichste Moment
Hier kann ich wieder einen Moment benennen, der tatsächlich noch während meiner Akupunktur-Ausbildung geschah. Eine Stallkollegin sprach mich an, dass ihr Pferd husten würde und ob man da mit Akupunktur was machen könnte. Der Tierarzt war schon da gewesen, hätte abgehört aber keinen Schleim gehört.
Ich hatte an dem Tag keine Zeit für eine ausführliche Befundung und Behandlung. So setzte ich einige Punkte, die klassischerweise bei Husten zum Einsatz kommen. Unter anderem auch einen Punkt zur Schleimlösung. Gerade Schleim, der festsitzt, kann beim Abhören der Lunge unerkannt bleiben, daher gehört für mich der Schleimlöser-Punkt immer mit in ein Behandlungskonzept, wenn es um Atemwegserkrankungen geht.
Es dauerte keine fünf Minuten – ich war schon fast wieder auf dem Weg aus dem Stall raus, als ich das Pferd husten hörte. Als ich am Putzplatz vorbeiging lag auf dem Boden ein gut 2-Euro-Münzen großer Schleimbrocken. Die Besitzerin kommentierte nur ganz trocken: "ist scheinbar doch verschleimt."
Der berührenste Moment
Hier kann ich keinen speziellen Einzelmoment heraussuchen. In der Arbeit mit anderen Lebewesen, noch dazu solch gefühlvollen Lebewesen wie Pferden, gibt es immer wieder besondere und berührende Momente.
Dies sind meist kleine und stille Momente zwischen mir und meinem Patienten, oft nicht wahrnehmbar für den Besitzer. Das fängt an mit unsicheren, verschlossenen Pferden, die "auftauen", mir ihr Vertrauen schenken und mich helfen lassen.
Andere Momente, die mich berühren, sind ein kleines Dankeschön von meinen Patienten – eine leichte Berührung mit den Nüstern, ein Atemhauch in meinen Nacken oder an meine Wange während oder nach der Behandlung, die als nichts anderes wahrnehmbar sind, als ein von Pferdeherzen kommendes "vielen Dank". Es gibt so viele dieser kleinen Dankesbekundungen, aber jede schleicht sich in mein Herz.
Das waren (bisher) meine bemerkenswertesten Momente bei der Pferdeakupunktur. Ich bin mir sicher, dass noch viele weitere folgen werden.
Weitere Informationen zur Akupunktur-Behandlung findest du im Ratgeber Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) beim Pferd.