Massage, Taping & Co - Wann braucht man eigentlich professionelle Unterstützung?
Das Pferd verwirft sich plötzlich, der Rücken ist verspannt oder es läuft "irgendwie anders" als sonst - viele Reiter kennen dieses Gefühl: Irgendwas stimmt nicht. Gleichzeitig ist der Wunsch groß, selbst etwas tun zu können. Doch es stellt sich schnell die Frage: Was kann ich selbst beobachten oder begleiten und wann braucht mein Pferd professionelle Unterstützung?
In diesem Artikel findest du eine Orientierungshilfe - sachlich, kritisch und praxisnah. Wir schauen uns verschiedene Therapieformen an, von Akupunktur bis zur Osteopathie - mit dem Ziel, die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit zu wählen.
Selbst aktiv werden - aber mit Augenmaß
Als Pferdebesitzer spielst du im Alltag eine wichtige Rolle: Du kennst dein Tier besser als jeder andere. Veränderungen im Verhalten, in der Bewegung oder im Training fallen dir als Erstes auf.
Viele Probleme entwickeln sich schleichend. Nicht jede Verspannung ist gleich behandlungsbedürftig aber jede Veränderung ist ein Hinweis, genauer hinzuschauen.
Regelmäßiges Putzen, Lockerungsübungen oder gezielte Bodenarbeit können viel bewirken. Auch leichte Massagetechniken oder ein unterstützendes Taping lassen sich nach entsprechender Anleitung gut ins Training integrieren.
Doch nicht jede Auffälligkeit lässt sich allein durch gutes Bauchgefühl einordnen und lösen. Die eigenen Grenzen zu erkennen ist wichtig.
Der Weg zwischen Bauchgefühl und Expertenrat
Wann ist es Zeit für professionelle Hilfe?

Hier einige typische Anzeichen, bei denen du nicht (mehr) allein weiterarbeiten solltest:
- (unklare) Lahmheit, Taktfehler, auffällige (Schon-)Haltungen oder plötzliche Bewegungsunlust
- Akute Schmerzen
- Wiederkehrende Verspannungen trotz korrektem Training & Entlastung
- Fehlstellungen, Muskelabbau oder asymmetrische Bemuskelung
- Verdacht auf strukturelle Probleme (z. B. Sehnen, Wirbel, Gelenke)
In solchen Fällen sollte immer zunächst der Tierarzt zu Rate gezogen werden - idealerweise in Zusammenarbeit mit spezialisierten Therapeuten. Doch welche Therapieform passt wann?
Welche Therapieform hilft wann?
Der Markt der Pferdetherapie ist groß und mitunter unübersichtlich. Im Folgenden stelle ich dir die gängigsten Methoden kurz vor und erkläre, welche Ziele sie verfolgen.
Physiotherapie & Massage
Physiotherapie ist längst kein "Luxus" mehr - sie ist Teil eines modernen Reha-Konzepts. Ziel ist die Verbesserung der Beweglichkeit, Schmerzlinderung und Wiederherstellung der muskulären Balance. Eingesetzt werden u. a. Massagen, Dehnungen, aktive und passive Bewegungsübungen. Besonders hilfreich ist Physiotherapie bei Reha-Pferden, nach Verletzungen oder bei muskulär bedingten Problemen aber auch zur Prophylaxe. Die manuelle Unterstützung hilft dem Pferdekörper, funktional zu bleiben.
Ziel:
Wiederherstellung oder Erhalt von Beweglichkeit und Muskelbalance, Lösen von Verspannungen, Mobilisation, Förderung der Durchblutung, Förderung der Rehabilitation, Schmerzlinderung.

Einsatzgebiete:
- Muskelverspannungen & Bewegungseinschränkungen
- Trainingsergänzung bei Sportpferden
- Nachbehandlung bei orthopädischen Erkrankungen
Typische Techniken und Methoden:
- Massage, Dehnungen, Mobilisation
- Aktive und passive Bewegungstherapie
- Bewegungs- und Muskelaufbauprogramme
- Ergänzend: Equines Taping, manuelle Lymphdrainage, Thermotherapie, Laser, Ultraschall etc.
Wann sind Massage und Physiotherapie sinnvoll?
Massage und Physiotherapie sind besonders dann hilfreich, wenn das Pferd muskulär "kompensiert" hat - z. B. durch eine Lahmheit. Wichtig: Auch hier gehört eine fundierte Befundung dazu, um die Ursache zu klären.
Osteopathie
Die Osteopathie betrachtet den Körper als funktionelle Einheit. Ziel ist es, Bewegungseinschränkungen aller Gewebe - von Gelenken über Faszien bis zu Organen - zu erkennen und durch gezielte manuelle Techniken zu lösen.
Ziel:
Wiederherstellung der Beweglichkeit durch das Lösen funktioneller Störungen.
Einsatzgebiete:
- Rittigkeitsprobleme ohne klare Ursache
- Einschränkungen im Bewegungsfluss
- Blockaden im Iliosakralgelenk, der Wirbelsäule, dem Genick
Typische Techniken und Methoden:
- Sanfte Mobilisation von Gelenken
- Arbeit an Faszien, Organen und dem Nervensystem
- Erarbeitung der Ursache-Folge-Kette ("Warum kompensiert das Pferd?")
Wann ist Osteopathie sinnvoll?
Osteopathie eignet sich besonders bei funktionellen Störungen - also wenn nichts "kaputt" ist, das Pferd aber trotzdem nicht rund läuft.
Chiropraktik
Chiropraktik ist eine sehr gezielte, manuelle Technik zur Lösung von Blockaden - vor allem an der Wirbelsäule. Mit schnellen, präzisen Impulsen (Adjustments) wird die normale Beweglichkeit der Gelenke wiederhergestellt. Sie wird vor allem bei plötzlichen Bewegungseinschränkungen eingesetzt. In Deutschland dürfen nur Tierärzte chiropraktisch behandeln.
Ziel:
Wiederherstellung der normalen Beweglichkeit von Gelenken mit Fokus auf die Wirbelsäule und das Nervensystem.
Einsatzgebiete:
- Rückenprobleme, Blockaden in der Halswirbelsäule
- Plötzliche Taktfehler oder Lahmheiten ohne orthopädischen Befund
- Unterstützend bei Sattel- oder Gebissproblemen
Typische Techniken und Methoden:
- Schnelle, präzise Impulse (Adjustments) auf blockierte Gelenke
- Häufig sehr fokussiert auf die Wirbelsäule
- Arbeit mit neurologischem Verständnis: Beweglichkeit ↔ Reizleitung
Wann ist Chiropraktik sinnvoll?
Chiropraktik setzt präzise Impulse - sie ist kein Allheilmittel, kann aber gezielt helfen, wenn Blockaden Bewegung und Muskulatur aus dem Gleichgewicht bringen.
Akupunktur

Akupunktur ist ein Verfahren der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), bei dem feine Nadeln in definierte Punkte gesetzt werden, um den Energiefluss (Qi) im Körper zu regulieren und Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Das Einsatzgebiet der Akupunktur im Sinne der Traditionellen Chinesischen Medizin geht weit über die reine Anwendung im Bereich des Bewegungsapparates hinaus (mehr dazu findest du im Ratgeber-Artikel Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) beim Pferd).
Einsatzgebiete:
- Chronische Schmerzsyndrome (z. B. Rückenprobleme, Arthrose)
- Stoffwechselprobleme
- Atemwegserkrankungen
Typische Techniken und Methoden:
- Akupunktur, Akupressur, Lasertherapie, Moxibustion
- Kräuterlehre
Wann ist Akupunktur sinnvoll?
Akupunktur eignet sich gut als begleitende Maßnahme - z. B. bei chronischen Beschwerden oder zur Unterstützung in Reha-Phasen. Sie ersetzt keine Diagnostik, kann aber helfen, das Gesamtbild zu verbessern.
Was passiert, wenn ich den "falschen" Therapeuten rufe?
Diese Frage ist ganz legitim und wichtig. Denn je nach Ursache deiner Beobachtungen kann es sein, dass ein Therapeut allein nicht alle nötigen Werkzeuge mitbringt:
- Wird ein tiefliegendes Gelenkproblem ausschließlich mit Massagen behandelt, bleibt die Blockade bestehen.
- Wird eine Blockade nur chiropraktisch justiert, aber die daraus resultierende Muskelspannung nicht gelöst, kehrt sie oft zurück.
Deshalb gilt: Gute Therapeuten erkennen die Grenzen ihrer Methode und verweisen weiter. Idealerweise arbeiten alle Fachleute - vom Tierarzt bis zum Therapeuten - Hand in Hand.
Fazit: Intuition trifft Expertise
Als Pferdebesitzer darfst (und sollst!) du dich einbringen - durch Beobachtung, Training, gezielte Unterstützung. Doch bei echten Problemen gilt:
Je früher du professionelle Hilfe dazu holst, desto besser die Chancen auf nachhaltige Besserung.

Therapeutische Maßnahmen wie Physiotherapie, Akupunktur oder Osteopathie sind keine Konkurrenz zur Tiermedizin - sie sind Bausteine in einem umfassenden Konzept. Ob Akupunktur, Chiropraktik oder Physiotherapie - alle Methoden haben ihre Stärken.
Entscheidend ist, die jeweilige Situation deines Pferdes richtig einzuschätzen und die passende Fachperson zu wählen. Ein gut vernetztes Team aus Tierarzt, Therapeut und Trainer ist oft der beste Weg, um dein Pferd nachhaltig zu unterstützen.
Noch unsicher?
In meinem Ratgeberbereich findest du weitere Artikel rund um Massage, Taping, Akupunktur & Co - mit praktischen Tipps und anschaulichen Beispielen aus der Praxis.